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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 01.09.2021


Ein bisschen bleiben wir noch. Spielfilm. Kinostart: 2. September 2021
Helga Egetenmeier

In seinem Spielfilm frei nach dem Roman "Oskar und Lilli" von Monika Helfer erzählt Regisseur Arash T. Riahi von den Geschwistern Oskar und Lilli, die mit ihrer Mutter aus Tschetschenien nach Österreich geflohen sind. Nach der schiefgelaufenen geplanten Abschiebung ...




... werden sie getrennt in Pflegefamilien untergebracht, halten jedoch heimlich Kontakt zueinander. Und sie versuchen, ihre Mutter wiederzufinden.

"Oskar und Lilli" - über die Klugheit der Kinder

Die Vorlage für das Drehbuch geht zurück auf den 1994 veröffentlichten Roman "Oskar und Lilli" von der vielfach ausgezeichneten österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer. Für ihre Geschichte über zwei Geschwister, die wegen der psychischen Labilität ihrer Mutter auf zwei verschiedene Pflegeplätzen aufgeteilt werden und die sich von da an allein durchs Leben schlagen, erhielt sie 1994 den ORF-Hörspielpreis.

Die in Helfers Roman angelegte Grundstruktur von den Kindern, die getrennt mit ihren Pflegefamilien zurechtkommen müssen und ihre Mutter schmerzhaft vermissen, behält auch der Film bei. Als Ausgangspunkt nimmt er jedoch deren Flucht aus Tschetschenien sechs Jahre zuvor, und die nun drohende Abschiebung aus Österreich. Als sich die Mutter deshalb in Panik die Pulsadern aufschneidet, werden ihre zwei Kinder bei verschiedenen Pflegeeltern untergebracht. Mit einem versteckten Smartphone gelingt es dem achtjährigen Oskar, Kontakt zu seiner dreizehnjährigen Schwester Lilli zu halten.

Im Mittelpunkt: Verbindendes und Gemeinsamkeiten

Lilli findet in der alleinstehenden Ruth eine ihr zugewandte Pflegemutter, die der jungen Teenagerin vertraut und ihre Freiheiten lässt. Zudem schließt die Dreizehnjährige in der neuen Schulklasse schnell eine gute Freundschaft mit der gleichaltrigen Betty, großartig gespielt von Anna Fenderl. Ebenso wie Rosa Zant als Lilli und Leopold Pallua als Oskar, zeigt Fenderl in ihrer ersten Filmrolle eine außergewöhnlich überzeugende Leistung.

Oskars Pflegefamilie ist ein Lehrer*innenehepaar mit einem zweijährigen Sohn, die gemeinsam mit der an Parkinson erkrankten Oma Erika in einem großen Haus außerhalb Wiens wohnt. Aufgrund seiner erfrischend offenherzigen Ausdrucksweise entwickelt sich zwischen dem Achtjährigen und Erika, für deren Rolle Christine Ostermayer den Österreichischen Filmpreis erhielt, eine vertrauensvolle Beziehung. Trotzdem vergisst Oskar nicht, dass er auf der Suche nach seiner Mutter ist - er schreibt ihr jeden Tag einen Brief, damit sie später nachlesen kann, wie sein Leben bis dahin verlaufen ist.

Das Thema Flucht und Abschiebung in den Filmen von Arash T. Riahi

Durch die Flucht seiner Eltern aus dem Iran kamen Arash T. Riahi und sein Bruder Arman selbst als Flüchtlingskinder Anfang der 1980er Jahre nach Österreich. Bereits mit seinem Spielfilmdebüt "Ein Augenblick Freiheit" griff er im Jahr 2008 das Thema Flucht auf. Für die Erzählung über die unterschiedlichen Schicksale dreier Flüchtlingsgruppen aus dem Iran wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Wiener Filmpreis der Viennale 2008. Die von ihm geplante Flucht-Triologie setzt er nun mit "Ein bisschen bleiben wir noch" fort, in dem er das Thema Abschiebung als bürokratischen Akt aufgreift. Der dritte Teil mit dem Titel "Eine Herzensgeschichte", in dem es um die Verarbeitung von Flucht durch Kunst gehen soll, ist bereits in Planung, so Riahi in einem Interview.

AVIVA-Tipp: Obwohl das Thema Abschiebung im Film immer präsent ist, bekommt es nicht die Hauptrolle. Diese erhalten die beiden Kinder, die sich in ihrem Alltag einrichten müssen, auch wenn ihre Zukunft ungewiss ist. Ein Film voller Zuneigung gegenüber seinen Figuren, die er mit Respekt behandelt und dennoch den Humor nicht vergisst. Damit glückt "Ein bisschen bleiben wir noch" ein leichter Zugang zu einem weiterhin aktuellen Politikum - äußerst sehenswert.

Auszeichnungen:
2021 Romy-Verleihung - Publikumspreis: Beliebtester Nachwuchs weiblich für Anna Fenderl, Akademiepreis: Bester Film Kino, Bestes Buch Kino, Beste Regie Kino, Bester Schnitt Kino
2021 Österreichischer Filmpreis - Beste weibliche Darstellerin für Christine Ostermayer
2020 Filmfestival Max Ophüls Preis - Publikumspreis
2020 Filmfestival Kitzbühel - Josef Vilsmaier Preis
2020 Taormina International Film Festival - Premio Ciak Scuola, Best Film of the student jury
2020 Molodist Filmfestival Kiew - Best actress award Rosa Zant
2020 Olympia International Film Festival for Children and Young People - Best Film

Zum Regisseur und Drehbuchautor: Arash T. Riahi, geboren 1972 im Iran, lebt seit 1982 in Österreich, wo er Film- und Geisteswissenschaften studierte. Von 1995 bis 2002 arbeitete er als freier Mitarbeiter beim ORF und gründete 1997 die Film- und Medien-Produktionsfirma Golden Girls Filmproduktion. Sein erster Spielfilm "Ein Augenblick Freiheit" war 2010 der offizielle österreichische Kandidat für den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Gemeinsam mit seinem Bruder Arman drehte er die Dokumentarfilme "Everyday Rebellion" (2013) und "Kinders" (2016). Die von ihm produzierten Filme, wie "Free Lunch Society" und "Mama illegal", erhielten über 50 internationale Auszeichnungen.

Zur Hauptdarstellerin: Rosa Maria Zant kommt aus Wien und spielt die dreizehnjährige Lilli, es ist ihre erste Rolle in einem Spielfilm.

Zum Hauptdarsteller: Leopold Pallua kommt aus Wien und spielt den achtjährigen Oskar in seiner ersten Rolle in einem Spielfilm.

Zur Hauptdarstellerin: Anna Fenderl kommt aus Wien und spielt die dreizehnjährige Betty, es ist ihre erste Rolle in einem Spielfilm.

Zur Darstellerin: Christine Ostermayer, geboren 1936, trat bereits als Siebenjährige am Kindertheater auf, absolvierte eine Tanzausbildung und arbeitete fürs Filmballett. Mit 16 Jahren begann sie ein Studium am Max-Reinhardt-Seminar und gab ihr Debüt als "Julia" an den Städtischen Bühnen in Essen. Ab 1959 hatte sie Engagements an verschiedenen Städten und spielte neben dem Theater auch für Film und Fernsehen. Sie hatte Gastrollen in Krimireihen, wie dem "Tatort" und war 2011 in dem preisgekrönten Liebesfilm "Anfang 80" zu sehen, 2014 spielte sie in "Nebenwege" eine Demenzkranke.

Zur Autorin der Romanvorlage: Monika Helfer, geboren 1947, ist eine österreichische Schriftstellerin und hat Romane, Erzählungen und Kinderbücher veröffentlicht. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen für ihre Arbeiten, bei denen sie einen besonderen Wert auf die Kinderperspektive legt. Für ihren 1994 veröffentlichten Roman "Oskar und Lilli", der Vorlage für diesen Spielfilm, erhielt sie den ORF-Hörspielpreis. 2020 erhielt sie für ihr Gesamtwerk den Bodensee-Literaturpreis, im gleichen Jahr erschien ihr Roman "Die Bagage", für den sie 2021 mit dem Schubart-Literaturpreis ausgezeichnet wurde und in dem sie die Geschichte ihrer Großeltern verarbeitet.

Ein bisschen bleiben wir noch
Österreich 2020
Regie, Drehbuch: Arash T. Riahi
Literarische Vorlage: Monika Helfer
DarstellerInnen: Rosa Zant, Leopold Pallua, Anna Fenderl, Christine Ostermayer, u.a.
Verleih: Film Kino Text, Bonn
Lauflänge: 102 Minuten
Kinostart: 02.09.2021

Mehr zum Film und der Trailer auf der Film-Webseite unter: www.einbisschenbleibenwirnoch.at

Weitere Informationen unter:

www.unicef.at
UNICEF-Studie (2012) "Stilles Leid - Zur psychosozialen Gesundheit abgeschobener und rückgeführter Kinder im Kosovo". Die Studie stellt fest, dass bei Abschiebungen oder Rückführungen das Kindeswohl und die seelische Gesundheit von Kindern nicht ausreichend beachtet wird.

www.qantara.de
Interview von Nahid Fallahi auf Qantara.de unter dem Titel "Gewaltlose Revolutionen sind kein Hippie-Traum" mit Arash t. Riahi über seinen Dokumentarfilm "Everyday Rebellion", in dem er zeigt, wie weltweit ziviler Ungehorsam und friedliche Protestformen ihre Wirkung entfalten.

www.mediendienst-integration.de
Der Mediendienst Integration bietet auf seiner Webseite Zahlen, Fakten und Hintergrundberichte zu Migration, Integration und Asyl in Deutschland. Er ist ein Projekt des "Rat für Migraton e.V.", einem bundesweiten Zusammenschluss von Migrationsforscher*innen.

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Helga Egetenmeier